2025

Bundesfinanzhof hält Aussetzungszinsen von monatlich 0,5 % für verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Beschluss vom 08. Mai 2024 (VIII R 9/23) das Bundesverfassungsgericht angerufen, da er den gesetzlichen Zinssatz von monatlich 0,5 % beziehungsweise 6 % pro Jahr für Aussetzungszinsen für verfassungswidrig hält. Grundsätzlich haben Einspruch und Klage im Steuerrecht keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die Erhebung einer Abgabe dadurch nicht aufgehalten wird und der Steuerpflichtige somit die festgesetzte Steuer zunächst zahlen muss. Allerdings kann in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom Finanzamt oder dem FG die Aussetzung der Vollziehung angeordnet werden. In dem Fall muss der Steuerpflichtige die Steuer zunächst nicht zahlen. Bleiben jedoch seine Rechtsmittel ohne Erfolg, muss er die Steuer nachträglich zahlen; zugleich fallen in der Regel Zinsen an. Diese betragen dann für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung und in Höhe des ausgesetzten Steuerbetrags 0,5 % pro Monat, also 6 % pro Jahr. Der Bundesfinanzhof hält die Vollverzinsung in dieser Höhe für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen nach dem Gesetz gleich sind. Im zugrunde liegenden Streitfall hatte der Kläger seinen Einkommensteuerbescheid für 2012 angefochten. Das Finanzamt setzte dessen Vollziehung aus. Da die Klage erfolglos blieb, wurden neben dem fälligen Steuerbetrag zusätzlich Aussetzungszinsen von 0,5 % für insgesamt 78 Monate festgesetzt. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung. Der Bundesfinanzhof teilte die Auffassung des Klägers. Da die Zinsfestlegung eine Phase anhaltend struktureller Niedrigzinsen beinhalte, sei der gesetzliche Zinssatz von monatlich 0,5 % der Höhe nach evident nicht mehr erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Ein solcher Zinssatz sei bei Aussetzung der Vollziehung nach seiner Ansicht mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Besonders strittig sei der Zeitraum vom 01. Januar 2019 bis zum 15. April 2021. Der Bundesfinanzhof erörterte, dass Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, im Vergleich zu vorgenannten Steuerpflichtigen bevorteilt würden. Begründet ist dies dadurch, weil bei Nachzahlungen die Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 AO geführt hat und die Steuerpflichtigen daher ihre von Anfang an geschuldete Steuer erst später zahlen müssen. Die dafür erhobenen Nachzahlungszinsen werden seit dem 01. Januar 2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 % für jeden Monat, mit demzufolge nur 1,8 % jährlich berechnet. Dieser erheblich niedrigere Zinssatz gegenüber Aussetzungszinsen führt daher zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen. Die Verfassungsmäßigkeit der Zinssatzspreizung sei daher anzuzweifeln. Das Verfahren wurde deshalb ausgesetzt. Bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Bundesfinanzhofs folgt.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz  

Keine Einsicht in Steuerakten zur Prüfung eines Schadenersatzanspruchs gegen Dritte

Die Einsichtnahme in eine Steuerakte außerhalb eines finanzgerichtlichen Verfahrens ist nicht gestattet, sofern der Steuerpflichtige für den betroffenen Besteuerungszeitraum bereits bestandskräftig veranlagt wurde und die Einsichtnahme der Verfolgung steuerverfahrensfremden Zwecken dienen soll. Ein Auskunftsanspruch über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bleibt hiervon jedoch unberührt. So entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 07. Mai 2024 (IX R 21/22). Im Streitfall beantragten die Kläger beim Finanzamt nach dessen Steuerfestsetzung, Einsicht in ihre Einkommensteuerakte für 2015 zu erhalten. Sie wollten überprüfen, ob ihr Steuerberater ordnungsgemäße Angaben zu den steuerlichen Verhältnissen gemacht hatte, um gegebenenfalls Schadenersatz zu fordern. Dies lehnte das Finanzamt ab, ebenso wie den späteren Antrag, Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten zu erteilen. Das zuständige FG widersprach dem und verpflichtete das Finanzamt, Akteneinsicht sowie den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch zu gewähren. Der Bundesfinanzhof teilte dessen Auffassung nicht. Er begründete dies damit, dass die Kläger erst nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung die Einsichtnahme beantragt hatten. Der einer Akteneinsicht innewohnende Anspruch auf rechtliches Gehör vor Erlass einer Verwaltungsentscheidung wurde somit nicht berührt. Zudem stellte der Bundesfinanzhof klar, dass die Gewährung der nachträglichen Akteneinsicht keine Ermessensfrage ist. Zudem ist das Finanzamt nicht verpflichtet, die Kläger bei deren Prüfung, ob ein Schadenersatzanspruch gegen den Steuerberater besteht, zu unterstützen. Ein solches Anliegen verfolge außerhalb des Besteuerungsverfahrens liegende Zwecke. Das Finanzamt sei jedoch verpflichtet, den Klägern gemäß Art. 15 DSGVO Auskunft darüber zu erteilen, welche sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet wurden. Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich aber eben nur auf die personenbezogenen Daten und nicht auf Dokumente und ist demzufolge nicht gleichzusetzen mit einem Akteneinsichtsrecht. Eine Ausnahme zur Übersendung von Dokumentenkopien ist nur möglich, wenn diese unbedingt erforderlich sind, um wirksam datenschutzrechtliche Ansprüche zu verfolgen. Diese Notwendigkeit ist vom Steuerpflichtigen glaubhaft darzulegen.  

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz