2011

Kosten für berufliche Erstausbildung und Erststudium können in voller Höhe abziehbar sein

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteilen vom 28. Juli 2011 VI R 38/10 und VI R 7/10 entschieden, dass das seit 2004 geltende Abzugsverbot für Kosten eines Erststudiums und einer Erstausbildung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Kosten für eine Erstausbildung oder für ein Erststudium auch dann nicht entgegensteht, wenn der Steuerpflichtige diese Berufsausbildung unmittelbar im Anschluss an seine Schulausbildung aufgenommen hatte.

In einem der vom BFH entschiedenen Fälle nahm der Kläger bei einer Tochtergesellschaft einer Fluglinie die Ausbildung zum Berufspiloten auf. Hierfür entstanden ihm Aufwendungen von annähernd 28.000 €. In dieser Höhe beantragte er mit seiner Einkommensteuererklärung 2004 einen Verlustvortrag festzustellen. Er berief sich darauf, dass diese Ausbildungskosten vorweggenommene Werbungskosten für seine künftige nichtselbstständige Tätigkeit als Pilot seien. Im anderen Streitfall hatte die Klägerin ihre Schulausbildung 2004 mit dem Abitur abgeschlossen und anschließend das Medizinstudium aufgenommen. Auch sie machte ihre Aufwendungen für das Studium als vorweggenommene Werbungskosten geltend und beantragte ebenfalls eine entsprechende Verlustfeststellung.

Die Finanzämter lehnten die beantragten Verlustfeststellungen ab. Sie beriefen sich dazu auf die ab 2004 geltende Regelung des § 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bestimme, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium im Rahmen der Einkünfteermittlung nicht abziehbar sind, wenn die Aufwendungen nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Dieser Auffassung folgten auch die Finanzgerichte. Die dagegen eingelegten Revisionen der Kläger waren erfolgreich. Der BFH entschied, dass aus § 12 Nr. 5 EStG kein solches generelles Abzugsverbot folge. Denn § 12 Nr. 5 EStG regele ausdrücklich, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium bei den einzelnen Einkunftsarten und vom Gesamtbetrag der Einkünfte nur insoweit nicht abgezogen werden dürften, als in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht etwas anderes bestimmt sei. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bestimme jedoch etwas anderes. Denn danach greife der Grundsatz, dass Aufwendungen nur dann als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn nicht der vorrangige Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug zur Anwendung kommt. In beiden Fällen seien aber die Kosten der Ausbildung hinreichend konkret durch die spätere Berufstätigkeit der Kläger veranlasst, so dass sie als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden müssten.

Anmerkung: Zuletzt hatte der BFH mit Urteil vom 18.06.2009 entschieden, dass § 12 Nr. 5 EStG der Abziehbarkeit von beruflich veranlassten Aufwendungen für ein Erststudium jedenfalls dann nicht entgegensteht, wenn dem Studium eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist. Die Finanzverwaltung hat sich dem mit Schreiben vom 22.09.2010 angeschlossen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung in Bezug auf das aktuelle Urteil verhalten wird. Offenbar gibt es aktuell einen Gesetzentwurf, mittels dessen die gesetzliche Formulierung dahingehend geschärft werden soll, dass die Kosten für die Erstausbildung in jedem Fall zu den nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung gehören. Wann eine entsprechende Regelung in Kraft treten soll, ist aber bislang unklar.

 

Artikel zuletzt überarbeitet am 27.10.2011.

Praktikumsvergütung für Studenten kann für Kindergeld nachteilig sein

Erzielt ein Kind durch sein regelmäßiges Ausbildungsverhältnis keine Einkünfte, sind seine Aufwendungen für die vorübergehende, von seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Ausbildungsstätte entfernte Ausbildung nicht nach Reisekostengrundsätzen bei der Ermittlung seiner Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigen. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 09.06.2011. Miet- und Verpflegungsmehraufwendungen für die auswärtige Unterbringung des Kindes in Ausbildung sind bereits durch den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG für eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes von 7.680 EUR im Streitjahr 2005 (heute 8.004 EUR) abgegolten. Demzufolge zählt die Vergütung für ein Praktikum während des Studiums zu den für den Bezug des Kindergeldes schädlichen Einnahmen und kann nicht um die Kosten für Miete und Verpflegungsmehraufwand gekürzt werden, wenn während dieser Zeit der Wohnsitz am Studienort aufgegeben wird. Der Abzug dieser Aufwendungen nach Reisekostengrundsätzen scheitert daran, dass die unterbrochene Ausbildung an der regelmäßigen inländischen Ausbildungsstätte keiner Einkunftsart zuzurechnen ist. Auch kommt ein Abzug nach den Grundsätzen einer doppelten Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG nicht in Betracht. Im Streitfall unterbrach das Kind, das seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Haus seiner Eltern beibehalten hatte, sein Studium im Inland und gab seine Wohnung am Studienort auf, um in den USA ein berufsbezogenes Praktikum zu absolvieren. Die Praktikantenvergütung und seine übrigen erzielten Einkünfte und Bezüge überstiegen den Jahresgrenzbetrag. Das zuständige FG hatte der Klage auf Anspruch von Kindergeld stattgegeben. Der Bundesfinanzhof hob nun das Urteil des FG auf.

Anmerkung: Im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 soll die Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder entfallen. Kinder sollen dann bis zum Abschluss einer erstmaligen berufsqualifizierenden Ausbildung – längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - ohne weitere Voraussetzungen berücksichtigt werden können. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist derzeit allerdings noch offen, da der Bundesrat dem Gesetzentwurf Anfang Juli seine Zustimmung verweigerte.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Solidaritätszuschlag war bis zum Jahr 2007 nicht verfassungswidrig

In einer Pressemitteilung informiert der Bundesfinanzhof über zwei Urteile vom 21.07.2011 (Az. II R 50/09 und II R 52/10) zum Solidaritätszuschlag. Demnach war die Festsetzung des Solidaritätszuschlags zur Einkommen- und Körperschaftsteuer bis zum Jahr 2007 verfassungsgemäß. Auch danach ist er noch zur Deckung des besonderen Finanzbedarfs des Bundes aus den Kosten der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten erforderlich. Allerdings verweist der Bundesfinanzhof darauf, dass der Solidaritätszuschlag nicht dauerhaft zu einem Instrument der Steuerumverteilung herangezogen werden darf. Der Bundesfinanzhof bezog sich in seinen Urteilen auch auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.  In den strittigen Fällen hatten eine Rechtsanwältin und eine GmbH gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für 2005 bzw. 2007 geklagt und zugleich geltend gemacht, dass der Solidaritätszuschlag von Anbeginn verfassungswidrig sei, zumindest aber nach dieser langen Zeit. Der Bundesfinanzhof widersprach den Klägern und begründete seine Entscheidung damit, dass der Solidaritätszuschlag vom Bund als Ergänzungsabgabe erhoben werden durfte und nicht zeitlich begrenzt werden musste. Die zu finanzierenden Projekte mussten auch nicht genau bezeichnet werden. Das Solidaritätszuschlagsgesetz sei zudem nicht - jedenfalls bis 2007 nicht - im Verlaufe der bis dahin 13 Jahre verfassungswidrig geworden. Die Ergänzungsabgabe kann erst dann verfassungswidrig werden, wenn der mit der Einführung verfolgte Zweck erreicht ist und die Abgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden muss, sondern zur Deckung einer dauerhaften Finanzierungslücke im Staatshaushalt dienen soll. Da sich der Bund an der Finanzierung der einigungsbedingten Lasten bis zum Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 mit weiter sinkenden Beträgen beteiligen wird, ist bis zum Jahr 2007 also keinesfalls eine Deckung einer dauernden Finanzierungslücke zu unterstellen. Somit waren die Klagen abzuweisen. Die Urteile werden erst in einigen Wochen nach endgültiger Abfassung und Zustellung an die Beteiligten veröffentlicht.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 12.05.2011 entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen können und demzufolge bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Bislang wurden derartige Aufwendungen nur in Ausnahmefällen bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Obwohl die Grenzen der Gesetzesauslegung nun weiter gefasst sind, ist einiges zu beachten. Zivilprozesskosten sind demnach insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Zudem sind etwaige Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung gegenzurechnen. Als unausweichlich gelten  Prozesskosten  auch nur dann, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Davon ist auszugehen, wenn der Erfolg mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg ist. Im entschiedenen Fall war bei der Klägerin nach längerer Arbeitsunfähigkeit zusätzlich Berufsunfähigkeit diagnostiziert worden. Die Krankenversicherung stellte daraufhin die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe. Die Klage gegen diese Entscheidung blieb allerdings erfolglos. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 € machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom zuständigen Finanzgericht bestätigt. Der Bundesfinanzhof hob das angefochtene Urteil auf und wies das Verfahren an das Finanzgericht zurück. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Anmerkung: Mit Schreiben vom 20.12.2011 beschränkt das Bundesfinanzministerium die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den entschiedenen Einzelfall, da der Finanzverwaltung für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Prozesses keine Instrumente zur Verfügung stünden und zudem eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von dieser Rechtsprechung betroffen sei.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Keine Anlaufhemmung bei der Antragsveranlagung

In seinem Urteil vom 14.04.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Abgabefrist für die sogenannte Antragsveranlagung bei Steuerpflichtigen, die fast ausschließlich Lohneinkünfte beziehen, regelmäßig vier Jahre beträgt. Eine Anlaufhemmung und somit Verlängerung der Abgabefrist um bis zu drei Jahre, wie es sie in Pflichtveranlagungsfällen gibt, kommt nach Auffassung des Gerichts hier nicht in Betracht, weil in diesen Fällen keine Steuererklärung einzureichen ist. Im zugrunde liegenden Fall hatten die Kläger in den Streitjahren 2002 und 2003 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Im November 2008 reichten sie beim Finanzamt Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ein. Das Finanzamt lehnte die Durchführung der Antragsveranlagung mit der Begründung ab, dass die Abgabefrist versäumt sei. Diese Auffassung bestätigte nun auch der Bundesfinanzhof. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 wird eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt, wenn sie beantragt wird. Die Festsetzungsfrist dafür beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Im strittigen Fall endete die Festsetzungsfrist demnach für 2002 mit Ablauf des Jahres 2006, die für 2003 mit Ablauf des Jahres 2007. Die Kläger stellten die erforderlichen Anträge durch Abgabe der Einkommensteuererklärungen beim Finanzamt aber erst im Jahre 2008. Da keine Steuererklärung einzureichen war, steht eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO außer Frage. Demzufolge entfällt auch die Verlängerung der Abgabefrist um bis zu drei Jahre.

Anmerkung: Bislang hatten verschiedene Finanzgerichte die gestellte Frage anders entschieden. Mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs herrscht nun Klarheit.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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