2018
Keine Umsatzsteuer auf Pokergewinne
Ein Berufspokerspieler erbringt keine umsatzsteuerpflichtige Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Er muss daher für seine Spielgewinne keine Umsatzsteuer abführen. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 30.08.2017 (XI R 37/14). Im zugrunde liegenden Fall nahm der Kläger in den Streitjahren 2006 und 2007 erfolgreich an Pokerturnieren sowie an sogenannten Cash-Games und an Internet-Pokerveranstaltungen teil. Er war der Meinung, dass Pokerspielen keine umsatzsteuerbare Leistung ist und reichte deshalb auch keine Umsatzsteuererklärungen ein. Diese Ansicht teilten das Finanzamt und das FG nicht. Nach ihrer Auffassung sei der Kläger als Berufspokerspieler ein Unternehmer. Er spiele gegen andere Teilnehmer in der Absicht, Einnahmen zu erzielen. Dies sei als umsatzsteuerbare Tätigkeit gegen Entgelt anzusehen. Dem folgte der Bundesfinanzhof nicht und gab der Klage statt. Zwischen der Teilnahme an den verschiedenen Pokerveranstaltungen und den erhaltenen Zahlungen (Preisgeldern und Spielgewinnen) bestehe nicht der für eine Leistung gegen Entgelt erforderliche unmittelbare Zusammenhang. Das Preisgeld oder der Spielgewinn werde nicht für die Teilnahme am Turnier, sondern für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses gezahlt. Ein Pokerspieler könne nicht davon ausgehen, sicher Einnahmen zu erzielen. Allerdings stellte der Bundesfinanzhof auch klar, dass die Teilnahme an einem Pokerspiel eine der Umsatzsteuer unterliegende Dienstleistung gegen Entgelt ist, sofern der Veranstalter an den Pokerspieler eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt (beispielsweise Antrittsgeld). In einem solchen Fall ist die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen. Ebenso unterliegt die Leistung der Veranstalter von Pokerspielen der Umsatzsteuer, wenn sie die Spieler gegen Entgelt (Turniergebühr) zum Spiel zulassen. Unabhängig von der Umsatzsteuer können die Gewinne aus der Teilnahme an Pokerspielen außerdem als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterliegen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Sofortabzug für Kosten zur Beseitigung von kurz nach Anschaffung einer Wohnung mutwillig herbeigeführten Substanzschäden durch den Mieter
Im Regelfall handelt es sich bei Aufwendungen für bauliche Maßnahmen zur Modernisierung, Instandsetzung oder Beseitigung verdeckter Mängel, die innerhalb von drei Jahren seit Anschaffung einer Immobilie anfallen, um anschaffungsnahe Herstellungskosten. Wie der Bundesfinanzhof nun mit seinem Urteil vom 09.05.2017 (IX R 6/16) entschied, sind Aufwendungen zur Beseitigung eines Substanzschadens, der nach Anschaffung einer vermieteten Immobilie durch das schuldhafte Handeln des Mieters verursacht wurde, als Werbungskosten sofort abziehbar. In diesen Fällen handelt es sich nicht um anschaffungsnahe Herstellungskosten. Im zugrundeliegenden Streitfall hatte die Klägerin im Jahr 2007 eine vermietete Eigentumswohnung erworben. Zum Zeitpunkt des Erwerbs befand sich diese in einem betriebsbereiten und mangelfreien Zustand. Das Mietverhältnis wurde von der Klägerin übernommen. Doch im Folgejahr kam es zu Leistungsstörungen, da die Mieterin fällige Nebenkostenzahlungen verweigerte. Vor diesem Hintergrund kündigte die Klägerin das Mietverhältnis. Bei der Rückgabe der Mietsache stellte die Klägerin umfangreiche, von der Mieterin jüngst verursachte Schäden wie eingeschlagene Scheiben an Türen, Schimmelbefall an Wänden und zerstörte Bodenfliesen an der Eigentumswohnung fest. Zudem hatte die Mieterin einen Rohrbruch im Badezimmer nicht gemeldet, wodurch es zu Folgeschäden gekommen war. Zur Beseitigung der Schäden machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 Kosten in Höhe von rund 20.000 € als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand geltend. Mangels Zahlungsfähigkeit der Mieterin konnte die Klägerin keine Ersatzansprüche gegen diese durchsetzen. Das Finanzamt versagte jedoch den Sofortabzug der Kosten. Der zur Schadensbeseitigung aufgewendete Betrag überschreite 15 % der Anschaffungskosten des Immobilienobjekts, daher handele es sich um anschaffungsnahe Herstellungskosten. Die Kosten könnten demzufolge nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) anteilig mit 2 % über einen Zeitraum von 50 Jahren geltend gemacht werden. Der Bundesfinanzhof hingegen gab der Klägerin Recht. Zwar gehörten alle baulichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Anschaffung der Immobilie wie etwa sogenannte Schönheitsreparaturen, Kosten für die Herstellung der Betriebsbereitschaft oder die Beseitigung verdeckter Mängel zu den Herstellungskosten, die grundsätzlich der AfA unterliegen. Demgegenüber seien aber Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens, der nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln des Mieters am Gebäude verursacht wurde, nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen. Demzufolge können solche Aufwendungen als sogenannter Erhaltungsaufwand im Rahmen der Werbungskosten sofort und in voller Höhe steuerlich geltend gemacht werden.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Änderung der Rechtsprechung zu eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen
Mit seinem Urteil vom 11.07.2017 (IX R 36/15) ändert der Bundesfinanzhof die langjährige Rechtsprechung nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008. Wird zukünftig ein Gesellschafter im Insolvenzverfahren als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen, führt dies nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung. Bisher war das möglich, wenn das Darlehen oder die Bürgschaft eigenkapitalersetzend waren. Dadurch verminderten sich der Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder erhöhte sich der entsprechende Verlust. Allerdings gestattet der Bundesfinanzhof aus Gründen des Vertrauensschutzes unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin die Anwendung der bisherigen langjährigen Rechtsprechung. Beispielsweise dann, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils am 27.09.2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Sofern es für einen Steuerpflichtigen günstiger ist, kann er sich darauf berufen. Im betreffenden Fall hatte ein Alleingesellschafter einer GmbH Bürgschaften für deren Bankverbindlichkeiten übernommen. In der Insolvenz der GmbH im Jahre 2011 wurde er von der Gläubigerbank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Da er mit seinem Regressanspruch gegen die insolvente GmbH ausgefallen war, begehrte er die steuerliche Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung. Während das Finanzamt dies ablehnte, gab ihm das zuständige FG Recht. Mit seinem Urteil stärkte nun der Bundesfinanzhof die Entscheidung des FG. Er stellte klar, dass mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts die gesetzliche Grundlage für die bisherige Annahme von nachträglichen Anschaffungskosten entfallen ist. Durch das MoMiG sind im Insolvenzfall sämtliche Gesellschafterfinanzierungen gesetzlich nachrangig zu behandeln. Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung sind deshalb nur noch nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition in § 255 HGB anzuerkennen. Dadurch wäre im Streitfall der Kläger nach dem neuen Urteil nicht mehr berechtigt, seinen Forderungsausfall als nachträgliche Anschaffungskosten geltend zu machen. Allerdings kann er sich auf die Vertrauensschutzregelung berufen, da die Bürgschaften des Klägers bereits zum Zeitpunkt ihrer Hingabe eigenkapitalersetzend waren. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Aufwendungen für ein im Rahmen mehrerer Einkunftsarten genutztes häusliches Arbeitszimmer
Mit seinem Urteil vom 25.04.2017 (VIII R 52/13) entschied der Bundesfinanzhof, dass der geltende Höchstbetrag abziehbarer Aufwendungen in Höhe von 1.250 EUR bei der Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers im Rahmen mehrerer Einkunftsarten nicht nach den zeitlichen Nutzungsanteilen in Teilhöchstbeträge aufzuteilen ist. Er kann durch die dem Grunde nach abzugsfähigen Aufwendungen in voller Höhe ausgeschöpft werden. Im strittigen Fall bewohnte der Kläger mit seiner Familie eine Mietwohnung. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus seiner freiberuflichen schriftstellerischen Betätigung. Für beide Tätigkeiten nutzte er einen Raum der Wohnung als Arbeitszimmer. Die Nutzungsdauer für die freiberufliche Tätigkeit betrug nach seinen Angaben 75%. In seiner Einkommensteuererklärung machte er für das häusliche Arbeitszimmer Betriebsausgaben mit dem Höchstbetrag von 1.250 EUR geltend. Diese ließ das Finanzamt insgesamt nicht zum Abzug zu. Das FG stellte fest, dass dem Kläger für seine nichtselbständige Arbeit ein anderer Arbeitsplatz in den Kanzleiräumen seines Arbeitgebers zur Verfügung stand. Für die Erzielung der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit musste er ausschließlich das häusliche Arbeitszimmer nutzen. Nur diese Aufwendungen waren demzufolge für das häusliche Arbeitszimmer abziehbar. Das FG gestattete die Hälfte des Höchstbetrages, also 625 EUR. Dagegen ging der Kläger in Revision. Der Bundesfinanzhof gab dem Kläger Recht. Da der Kläger mehrere betriebliche oder berufliche Tätigkeiten ausübte, war es seitens des FG richtig, zu klären, ob für jede dieser Tätigkeiten ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Auch die zeitanteilige Aufteilung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer entsprechend der verschiedenen Einkunftsarten war in Ordnung. Die Aufteilung des Höchstbetrags in Höhe von 1.250 EUR unter Bildung von Teilhöchstbeträgen für die verschiedenen Einkunftsarten hingegen war nicht rechtens. Der Höchstbetrag ist einem Steuerpflichtigen zwar nicht mehrfach zu gewähren, er darf aber nicht, wie für die im Streitfall zu entscheidende Konstellation, aufgeteilt und den jeweiligen Nutzungen in Teilhöchstbeträgen zugeordnet werden. Der Kläger konnte demzufolge die dem Grunde nach abzugsfähigen Aufwendungen insgesamt bis zum Höchstbetrag von 1.250 EUR geltend machen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse
Die Aufbewahrung von Tagessummen-Belegen mit Einzelaufzeichnung der Erlöse und Summenbildung kann den formellen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse genügen. Dabei dürfen aber keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen im Betrieb angefallen sein. Zudem ist die Rechtsprechung, wonach Einzelaufzeichnungen der Erlöse in bestimmten Fällen aus Zumutbarkeitsgründen nicht geführt werden müssen, nicht auf Einzelhändler beschränkt, sondern kann auch auf Klein-Dienstleister angewendet werden. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 12.07.2017. Im strittigen Fall erzielte der Kläger in den Streitjahren 2008 bis 2010 gewerbliche Einkünfte aus seinem Gaststättenbetrieb, durch das Ausrichten von Familienfeiern und Buffets sowie durch Beteiligung am örtlichen Volksfest. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Kläger in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen notierte er --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen und Datumsangabe ab. Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln hinzu. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Einschätzung, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß und somit die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht überprüfbar. Es nahm eine Hinzuschätzung zu den Umsätzen vor, deren Höhe durch die sogenannte Quantilsschätzung ermittelt wurde. Dazu führte es einen Zeitreihenvergleich durch. Es schätzte die monatlichen Rohgewinnaufschlagssätze (RAS), indem die im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen gesetzt wurden. Im weiteren Vorgehen nutzte es bei der Beurteilung der Datensätze die Gesetzmäßigkeiten der Gauß'schen Normalverteilung. Das führte dazu, dass der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte als der zutreffende Schätzwert ermittelt wurde, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum angewendet wurde (zuzüglich Konjunkturbereinigung durch Preiserhöhungen für 2009 und 2010). Der Kläger erhob gegen die Schätzungsmethode und –höhe erfolglos Einspruch. Der Bundesfinanzhof stellte nun mit seiner Entscheidung klar, dass die Anforderungen an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs bei summarischer Betrachtung auch dann gelten, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden. Allerdings bezweifelt der Bundesfinanzhof ernstlich, dass die Aufzeichnungen des Klägers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen. Auch schließt eine während des Prüfungszeitraums vorgenommene Preiserhöhung im Regelfall aus, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen. Außerdem ist nicht bewiesen, ob die monatlichen RAS, die von der Software der Finanzverwaltung geschätzt wurden, der Gauß'schen Normalverteilung folgen und, ob die in einem üblichen Prüfungszeitraum (drei Jahre mit 36 Monats-Einzelwerten) erhobene Grundgesamtheit groß genug für die Anwendung der bei einer Gauß'schen Normalverteilung geltenden Gesetzmäßigkeiten ist.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz