2019

Abgrenzung zwischen Bar- und Sachlohn

Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist in Höhe der vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge Sachlohn, sofern der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages ausschließlich Versicherungsschutz, nicht aber eine Geldzahlung verlangen kann. Zahlt hingegen der Arbeitgeber einen Zuschuss unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer mit einem vom ihm benannten Unternehmen einen Versicherungsvertrag schließt, wendet er Geld und keine Sache zu. Dies entschied der Bundesfinanzhof mit seinen Urteilen vom 07.06.2018 (VI R 13/16) und vom 04.07.2018 (VI R 16/17). Ob Bar- oder Sachlohn vorliegt, ist für die Freigrenze gemäß § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG von Bedeutung, da Sachbezüge bis 44 € im Kalendermonat steuerfrei sind. Für die Abgrenzung von Bar- und Sachlohn ist der auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu ermittelnde Rechtsgrund des Zuflusses entscheidend. Im Fall VI R 13/16 schloss der Arbeitgeber des Klägers als Versicherungsnehmer für die Mitarbeiter seines Unternehmens bei zwei Versicherungen Zusatzkrankenversicherungen für Vorsorgeuntersuchungen, stationäre Zusatzleistungen sowie Zahnersatz ab. Die für den Versicherungsschutz gezahlten monatlichen Beträge behandelten der Arbeitgeber und das Finanzamt als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Bundesfinanzhof widersprach dieser Auffassung und erklärte das Vorliegen von Sachlohn, der konkret mit 34,42 EUR unter der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG lag und somit nicht zu versteuern war. Im Streitfall VI R 16/17 informierte die Klägerin, eine GmbH, in einem Mitarbeiteraushang ihre Arbeitnehmer darüber, ihnen zukünftig einen Zuschuss für eine Zusatzkrankenversicherung anbieten zu können. Voraussetzung sei der Abschluss eines Vertrages mit einer privaten Krankenversicherungsgesellschaft. Einige Mitarbeiter nahmen das Angebot an und schlossen mit der Versicherungsgesellschaft private Zusatzkrankenversicherungsverträge ab. Die Versicherungsbeiträge überwiesen sie direkt an die Versicherungsgesellschaft. Die Klägerin zahlte ihnen hierfür einen monatlichen Zuschuss auf das Gehaltskonto. Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs hierbei um Barlohn. Dass dieser regelmäßig unter der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG lag, spielt dabei keine Rolle. Die Klägerin hatte ihren Arbeitnehmern letztlich nur den Kontakt zu dem Versicherungsunternehmen vermittelt und bei Vertragsschluss einen Geldzuschuss zugesagt. Anders als im ersten Streitfall hat sie ihren Arbeitnehmern keinen Versicherungsschutz gewährt. Ein Sachbezug liegt demzufolge nur vor, wenn auch ein arbeitsrechtliches Versprechen erfüllt wird, das auf die Gewährung von Sachlohn gerichtet ist. Diese differenzierende Betrachtung des Bundesfinanzhofs ermöglicht den Arbeitgebern eine gewisse Gestaltungsfreiheit. Dabei ist zu beachten, dass im ersten Fall zwar einerseits ein begünstigter Sachlohn vorliegt, andererseits ist jedoch das Potential für weitere Sachbezüge durch die monatliche Freigrenze von höchstens 44 € erheblich eingeschränkt. Denn jegliche Überschreitung der Freigrenze führt zum vollständigen Entfallen der Steuerfreiheit. Bei der Zahlung eines von vornherein steuerpflichtigen Zuschusses unter der Bedingung, dass die Arbeitnehmer eine eigene private Zusatzkrankenversicherung abschließen, wie im zweiten Fall, ist dieses Risiko von vorn herein ausgeschlossen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Prämienzahlungen der gesetzlichen Krankenkassen mindern Sonderausgabenabzug

Seit April 2007 haben die gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit, ihren Versicherten nach § 53 Abs. 1 SGB V Wahltarife, das heißt Selbstbehaltungstarife in begrenzter Höhe oder Kostenerstattungstarife anzubieten. Mit seinem Urteil vom 06.06.2018 (X R 41/17) entschied der Bundesfinanzhof, dass sich die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge mindern, wenn ein Steuerpflichtiger von seiner gesetzlichen Krankenkasse eine Prämie auf Basis eines solchen Wahltarifs erhält. Die Prämienzahlungen stellen Beitragsrückerstattungen dar, die die wirtschaftliche Belastung der Mitglieder und damit auch ihre Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG reduzieren. Im Streitfall konnte der Kläger aufgrund seines gewählten Tarifs mit Selbstbehalt je Kalenderjahr eine Prämie bis zur Höhe von 450 € erhalten. Die zu tragenden Selbstbehalte waren auf 550 € begrenzt, sodass er seiner Krankenkasse im für ihn ungünstigsten Fall weitere 100 € zu zahlen hatte. Im Streitjahr 2014 erhielt der Kläger eine Prämie von 450 €, die er bei den von ihm geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträgen nicht berücksichtigte. Das Finanzamt sah in der Prämienzahlung eine Beitragsrückerstattung und setzte dementsprechend geringere Sonderausgaben an. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Bundesfinanzhof bestätigte das Urteil des FG. Danach ist die Prämienzahlung nach § 53 Abs. 1 SGB V eine Beitragsrückerstattung, die die Vorsorgeaufwendungen des Steuerpflichtigen mindert. Somit reduziert sich die wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen, die aber wesentliche Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug ist. Der Bundesfinanzhof betont, dass die Prämie anders zu behandeln ist als Bonusleistungen, die gesetzliche Krankenkassen ihren Mitgliedern zur Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens gemäß § 65a SGB V gewähren. Diese mindern die als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge nicht. Denn der Bonus ist eine Erstattung der vom Versicherten selbst getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen. Damit steht er nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes. Demgegenüber beruht die Prämie auf der Übernahme des Risikos, der Krankenkasse gegebenenfalls weitere, jedoch der Höhe nach begrenzte Beitragszahlungen leisten zu müssen. Die Prämie wird damit der Beitragsrückerstattung einer privaten Krankenversicherung gleichgesetzt. In beiden Fällen erhält der Versicherte eine Zahlung von seiner Krankenkasse, weil deren Leistungen von ihm nicht oder in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen wurden. Im Ergebnis werden dadurch seine Beitragszahlungen in Form der Prämie reduziert. Im behandelten Streitfall hat der Kläger durch den gewählten Tarif das Risiko (gewählt), weitere Zahlungen in Höhe von maximal 100 € erbringen zu müssen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Anmietung einer als Homeoffice genutzten Wohnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber

Vermietet der Arbeitnehmer eine Einliegerwohnung als Homeoffice an seinen Arbeitgeber für dessen betriebliche Zwecke, kann er Werbungskosten nur geltend machen, wenn eine objektbezogene Prognose die erforderliche Überschusserzielungsabsicht belegt. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 17.04.2018 (IX R 9/17). Nach der bisherigen Rechtsprechung wurde in solchen Fällen auf Dauer einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen zu wollen, nicht vermutet. Die zweckfremde Vermietung von Wohnraum an den Arbeitgeber zu dessen betrieblicher Nutzung hat der Bundesfinanzhof nun erstmals als Vermietung zu gewerblichen Zwecken beurteilt. Insoweit widerspricht er der Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13.12.2005 (IV C 3-S 2253-112/05). Im Streitfall bewohnte der Kläger mit seiner Ehefrau das Obergeschoss des eigenen Gebäudes. Im Erdgeschoss vermieteten sie eine Einliegerwohnung mit Büro, Besprechungsraum, Küche und Bad/WC als Homeoffice des Klägers für 476 € monatlich an dessen Arbeitgeber. Der Mietvertrag war zeitlich an den Arbeitsvertrag des Klägers sowie an die Weisung des Arbeitgebers gebunden, seine Tätigkeit als Vertriebsleiter in diesen Büroräumen durchzuführen. Der Kläger machte aus der Vermietung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 29.900 € geltend. Enthalten waren hierin Aufwendungen in Höhe von 25.780 € für die behindertengerechte Renovierung des Badezimmers mit Dusche und Badewanne. Da das Finanzamt das Bad dem privaten Bereich zuordnete, versagte es den Abzug der Renovierungskosten. Auch das FG erkannte lediglich einen Teil der Kosten (wie WC, Waschbecken, Badezimmertür) an. Der Bundesfinanzhof teilt mit seinem Urteil nicht die Auffassung der Vorinstanz. Das FG ging von der Vermietung einer Wohnung und nicht von der Vermietung einer Gewerbeimmobilie aus. Daher überprüfte es auch nicht die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers durch eine objektbezogene Überschussprognose. Diesen Sachverhalt stellte der Bundesfinanzhof klar. Aufgrund der im Mietvertrag vereinbarten Nutzung handelte es sich (wenn auch zweckentfremdet) um die Vermietung einer Gewerbeimmobilie. Die Räume wurden dem Arbeitgeber zur ausschließlichen Erfüllung von dessen betrieblichen Zwecken überlassen. Zudem unterlag der Kläger hinsichtlich der Nutzung dem Weisungsrecht seines Arbeitgebers. Zu berücksichtigen war dabei auch die Koppelung des Mietvertrages an das Bestehen des Dienstverhältnisses. Da die Renovierungs- oder Instandsetzungsarbeiten während der Vermietungszeit ausgeführt wurden, geht der Bundesfinanzhof typisierend davon aus, dass sie der Einkünfteerzielung dienten und die dadurch entstandenen Aufwendungen grundsätzlich als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, um die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers anhand einer Überschussprognose festzustellen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Änderung der Rechtsprechung zu den Rechnungsanforderungen nach § 14 Abs. 4 UStG

Grundsätzlich muss für einen Vorsteuerabzug der Unternehmer eine Rechnung besitzen, die neben anderen Erfordernissen die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers angibt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG). Wie der Bundesfinanzhof unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung mit seinen Urteilen vom 21.06.2018 (V R 25/15 und V R 28/16) entschied, muss diese Rechnung aber nicht zwingend die Anschrift enthalten, unter der die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers ausgeübt werden. Es reicht jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist. Im ersten Streitfall (V R 25/15) erwarb der Kläger, ein Autohändler, Kraftfahrzeuge von einem Einzelunternehmer. Dieser verkaufte seine Wagen über einen Onlinehandel ohne dabei ein Autohaus zu betreiben. In den dem Kläger erteilten Rechnungen gab er als seine Anschrift einen Ort an, an dem er postalisch erreichbar war. Im zweiten Streitfall (V R 28/16) bezog die Klägerin, eine im Schrotthandel tätige GmbH, von einer anderen GmbH 200 Tonnen Stahlschrott, verteilt auf neun Einzellieferungen. In den Rechnungen war der Sitz der Lieferantin entsprechend der Handelsregistereintragung als Anschrift angegeben. Tatsächlich befanden sich dort die Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei. Die von der GmbH für die Korrespondenz genutzte Festnetz- und Faxnummer gehörten der Kanzlei, die als Domiziladresse für etwa 15 bis 20 Firmen diente. Nur gelegentlich wurde ein Schreibtisch in der Kanzlei von einem Mitarbeiter der GmbH genutzt. In beiden Fällen bejahte der Bundesfinanzhof den Vorsteuerabzug. Nach seiner Überzeugung reicht für die Angabe der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers die Angabe eines Ortes mit postalischer Erreichbarkeit aus. Die Urteile sind allgemein für Unternehmer von großer Bedeutung, denn die Vorlage ordnungsgemäßer Rechnungen ist immer wieder Streitpunkt bei Außenprüfungen. Zudem wird die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nun erleichtert. Die Änderung der Rechtsprechung beruht auf dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15.11.2017 (C 374/16 und C 375/16), das auf Vorlage des Bundesfinanzhofs ergangen ist.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Nicht abziehbare Schuldzinsen - Berücksichtigung von Verlusten

Der Bundesfinanzhof entschied mit seinem Urteil vom 14.03.2018 (X R 17/16), dass beim Abzugsverbot für betrieblich veranlasste Schuldzinsen die Bemessungsgrundlage auf den periodenübergreifenden Entnahmenüberschuss zu begrenzen ist. Der anzusetzende Zeitraum umfasst die Jahre ab 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr (Totalperiode). Grundsätzlich sind betrieblich veranlasste Schuldzinsen abziehbar, sofern die Entnahmen die Summe aus Gewinn und Einlagen nicht übersteigen und damit keine Überentnahmen vorliegen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6% der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich aller Überentnahmen und abzüglich aller Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre ermittelt. Der sich ergebende Betrag ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Für die Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ist zunächst vom einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen. Dieser Begriff umfasst auch Verluste, die für sich genommen jedoch nicht zu Überentnahmen führen. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist im Wege teleologischer Reduktion zu begrenzen. Im Streitfall erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch den Handel mit Kraftfahrzeugen. Er erwirtschaftete in den Jahren von 1999 bis 2008 teils Gewinne, teils Verluste, und tätigte Entnahmen und Einlagen in schwankender Höhe. Zugleich fielen im Betrieb Schuldzinsen an. Das Finanzamt und das FG versagten in den beiden Streitjahren 2007 und 2008 für einen Teil der Schuldzinsen den Betriebsausgabenabzug, obwohl in diesen Wirtschaftsjahren Unterentnahmen getätigt wurden. Nach ihrer Auffassung hätten Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG vorgelegen. Dabei stützten sie sich bei der Berechnung auf die Vorgaben des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.11.2005 zur Anwendung vorgenannter Regelung. Danach erfolgt durch teleologische Reduktion eine Nichtberücksichtigung des Verlustes bei der Ermittlung der Überentnahme nur im Verlustentstehungsjahr. Die Verluste selbst sind formlos fortzuschreiben und stets vorrangig mit Unterentnahmen vergangener und zukünftiger Wirtschaftsjahre zu verrechnen. Dadurch kann allerdings ein betrieblicher Verlust ohne jede Entnahme zur teilweisen Versagung des Schuldzinsenabzugs führen. Dem folgt der Bundesfinanzhof nicht. Er begrenzt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für ein Abzugsverbot der Schuldzinsen auf den von 1999 bis zum Beurteilungsjahr erzielten Entnahmenüberschuss und damit auf den Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen. Nach seiner Auffassung dürfen die kumulierten Überentnahmen nicht größer sein als alle Entnahmen und nicht höher als alle Entnahmenüberschüsse der Totalperiode. So wird sichergestellt, dass ein in der Totalperiode erwirtschafteter Verlust die Bemessungsgrundlage nicht erhöht. Im Streitfall gab der Bundesfinanzhof der Klage teilweise statt. Zwar lagen kumulierte Überentnahmen in den Zeiträumen zwischen 1999 und den Streitjahren 2007 und 2008 vor. Die kumulierten Entnahmenüberschüsse waren jedoch niedriger und somit die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen. Die beim Steuerpflichtigen entstandenen Verluste führten deshalb nicht zu Überentnahmen im Sinne des § 4 Abs. 4a EStG.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz