Vorweggenommene Werbungskosten durch Berufsausbildungskosten bei später im Ausland ausgeübter Tätigkeit
von Björn Keller
Mit seinem Urteil vom 28.07.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass Aufwendungen einer erstmaligen Berufsausbildung auch dann vorab als entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein können, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese Berufstätigkeit später im Ausland ausgeübt werden könnte und dabei steuerfreie Einkünfte erzielt werden. Allein diese Möglichkeit begründet noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne des § 3c Abs. 1 1. Halbsatz EStG zwischen den Berufsausbildungskosten und später tatsächlich erzielten steuerfreien Auslandseinkünften. Dabei lässt § 12 Nr. 5 EStG ebenso wie § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG den Vorrang des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs unberührt. Entschieden wurde hier zugunsten eines Verkehrsflugzeugpiloten. Dieser hatte nach seinem Abitur und anschließendem Zivildienst unmittelbar eine selbst finanzierte Ausbildung als Copilot begonnen, die er im Jahre 2005 abschloss. Ab 2006 war er bei einer Airline in der Türkei beschäftigt, wohin er auch vorübergehend zog. Ende 2007 erhielt er eine Anstellung bei einer deutschen Airline. Seitdem wohnt er wieder in Deutschland. Für das Streitjahr 2004 beantragte er, einen verbleibenden Verlustabzug in Höhe von 71.813 EUR festzustellen, den er im Wesentlichen mit den ihm entstandenen Ausbildungskosten von ca. 59.000 EUR begründete. Unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG lehnte das Finanzamt dies ab. Das FG bestätigte dieses Vorgehen, da offen sei, ob schon § 3c Abs. 1 EStG dem Abzug entgegenstehe, weil der Kläger Einnahmen aus der Tätigkeit, zu deren Ausübung er sich mit den streitbefangenen Kosten qualifiziert habe, ab 2006 zunächst in der Türkei erzielt und insoweit im Inland auch nicht versteuert habe. Dem widerspricht nunmehr der Bundesfinanzhof mit seinem aktuellen Urteil. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen, sind diese auch als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
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