Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten - Auswärtstätigkeit beim Einsatz in verschiedenen Filialen

von Björn Keller

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschied der Bundesfinanzhof mit seinen Urteilen vom 09.06.2011 (VI R 55/10, VI R 36/10 und VI R 58/09), dass ein Arbeitnehmer nur eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben kann. Damit wurde das steuerliche Reisekostenrecht vereinfacht. Die aufwendige Berechnung des geldwerten Vorteils wegen mehrerer regelmäßiger Arbeitsstätten gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG, das Aufteilen der Entfernungspauschale beim Aufsuchen mehrerer Tätigkeitsstätten an einem Arbeitstag und die entsprechend komplizierte Ermittlung von Verpflegungsmehraufwendungen sind damit künftig entbehrlich. Die Festlegung auf eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet der Bundesfinanzhof damit, dass der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers nur an einem Ort liegen kann, selbst wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. Wichtig bei der Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte ist, welche Tätigkeit an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrgenommen wird und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder aufsucht, reicht für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte nicht aus. Ihr muss in jedem Falle eine zentrale Bedeutung gegenüber den anderen Tätigkeitsorten zukommen.

Im Verfahren VI R 55/10 hatte der Kläger unter Nutzung eines Firmenwagens Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betriebssitz des Arbeitgebers als Dienstreisen geltend gemacht, da er vor Fahrtantritt stets in einem bei seiner Wohnung gelegenen Kellerraum des Arbeitgebers Wartungs- und Optimierungsarbeiten an der betrieblichen EDV-Anlage durchführte. Finanzamt und Finanzgericht werteten diese Fahrten dagegen als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Der Bundesfinanzhof verwies nun das Verfahren zurück an das Finanzgericht mit der Auflage, den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit zu bestimmen. Im Verfahren VI R 36/07 war die Klägerin als Distriktmanagerin für 15 Filialen einer Supermarktkette zuständig, die sie zum Teil in regelmäßigen, aber auch unregelmäßigen Abständen immer wieder aufsuchte. Der Bundesfinanzhof entschied, dass es sich in dem Falle um eine Auswärtstätigkeit (ohne regelmäßige Arbeitsstätte) handelt, da keine der Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den anderen Tätigkeitsorten hat. Das Verfahren VI R 58/09 betrifft einen Außendienstmitarbeiter. Hier entschied der Bundesfinanzhof, dass der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer zwar regelmäßig, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG wird.

Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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