Nachträgliche Schuldzinsen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
von Björn Keller
Mit Urteil vom 20.06.2012 entschied der Bundesfinanzhof, dass Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche ursprünglich der Finanzierung eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Wohngrundstücks dienten, auch nach einer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerung der Immobilie weiter als nachträgliche Werbungskosten abziehbar sind, sofern die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden konnten. Damit hält der Bundesfinanzhof an seiner bisherigen Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht länger fest. Im Streitfall ging es um ein 1994 erworbenes Wohngebäude, für das der Kläger ein Darlehen aufgenommen hatte. Durch die Vermietung der Immobilie erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Bei der Veräußerung des Gebäudes im Jahr 2001 konnte durch den erzielten Verkaufserlös das Darlehen nicht vollständig abgelöst werden, sodass selbst im Streitjahr 2004 noch Schuldzinsen anfielen. Die vom Kläger für 2004 in seiner Einkommensteuererklärung geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen erkannte das Finanzamt nicht als Werbungskosten an. Der Bundesfinanzhof gab nun dem Kläger Recht und entschied, dass die geltend gemachten Schuldzinsen zu Unrecht nicht berücksichtigt wurden. Dabei bezieht er sich auf die im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom Gesetzgeber getroffene Grundsatzentscheidung, Wertsteigerungen bei der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken innerhalb einer auf zehn Jahre erweiterten Frist zu erfassen. Das bedeutet, dass zur Erzielung von Einkünften dienende Wohngrundstücke für den genannten Zeitraum – d.h. über einen reinen, steuerpolitisch gerechtfertigten "Spekulationszeitraum" hinaus – nicht mehr dem privaten, sondern dem steuerrechtlich erheblichen Vermögensbereich zuzuordnen sind und ein etwaiger Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften der Besteuerung unterliegt. Mit dieser gesetzestechnischen Verknüpfung von privaten Veräußerungsgeschäften mit einer vorangegangenen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks wird zudem bewirkt, dass die Ermittlung des Gewinns aus einem steuerbaren Grundstücksveräußerungsgeschäft strukturell der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt wird. Diese notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen sei auch für den behandelten Streitfall bei den Gewinn- und bei den Überschusseinkünften herzustellen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
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